Eine Erfolgsgeschichte des Projekts „Mentoring Partnerschaft“: Wie sich zwei syrische Ärzte in Passau gegenseitig unterstützen.
Zwei junge Männer, zwei Ärzte, zwei Geschichten – ein Ziel: das Leben und Arbeiten in Deutschland. Dafür haben Yosof Hamadeh (29) und Qusai Alnahar (27) viel auf sich genommen, ihre Familien, ihre Freunde, ihre Heimat Syrien verlassen – nur um hier an der Bürokratie zu scheitern? Nein, für ihre Zukunft in Deutschland wollen sie kämpfen. Wie sie sich als Mentor und Mentee, aber auch als Freunde dabei unterstützen, erzählen sie der Heimatzeitung. Der eine sucht ein Ehrenamt, will anderen Migranten helfen, sich in Deutschland zurechtzufinden, der andere braucht Hilfe bei der Jobsuche – und der Rest ist Geschichte bei den beiden jungen Ärzten aus Syrien. Über das Projekt „Mentoring Partnerschaft“ der Fachberatung für Integration durch Qualifizierung (IQ) am Wirtschaftsforum (Wifo) der Region Passau haben sie sich Ende 2024 in der Dreiflüssestadt kennen- und schätzen gelernt.
Seitdem hat sie ihre Partnerschaft nicht nur fachlich, sondern auch persönlich vorangebracht, sind sich Mentor Hamadeh und Mentee Alnahar einig. „Yosof hat mir dabei geholfen, meinen Lebenslauf vorzubereiten und das Anschreiben für Bewerbungen zu formulieren“, sagt der 27-Jährige Qusai Alnahar, der erst seit Oktober 2023 in Deutschland ist. „Aber ich habe in ihm auch einen echten Freund gefunden.“ Scherzend erklärt Hamadeh darauf: „Qusai hat immer Süßigkeiten mitgebracht, da haben wir uns gleich gut verstanden.“ Per Handy und, so oft es geht, persönlich halten die beiden auch nach Ende ihrer Mentoring Partnerschaft im Februar noch Kontakt und unterstützen sich gegenseitig.
Basis für ihre Freundschaft ist auch der ähnliche Werdegang der beiden Ärzte, wie sie erzählen. Beide kommen sie nämlich aus Akademikerfamilien, Alnahars Eltern sind Ärzte, Hamadehs Vater ist Ingenieur, seine Mutter Lehrerin. Außerdem haben sie beide in Syrien Medizin studiert, Hamadeh in der Hafenstadt Latakia und Alnahar in der Hauptstadt Damaskus. Und beide haben sie beschlossen, ihren Facharzt in Deutschland zu machen. „Denn auch 2023“, als Alnahar sein Studium beendet hatte, „war die Situation in Syrien nicht so gut“, erklärt er. Bessere Ausbildungs- und Lebensmöglichkeiten bot Deutschland.

Einen Freund fürs Leben hat Qusai Alnahar (l.) in seinem Mentor Yosof Hamadeh gefunden. Kurzzeitig haben die beiden auch zusammen im Jesuitenschlössl in der Passauer Innstadt gearbeitet.Foto: privat
Was auf diese Entscheidung folgte, war für beide Ärzte eine Nervenprobe, denn: „In Syrien gibt es keine deutsche Botschaft oder das Goethe-Institut“, wo die nötige Sprachprüfung für die Einwanderung nach Deutschland gemacht werden konnte, sagt Yosof Hamadeh. Die Folge: Er musste mehrmals nach Jordanien reisen, um dort den Sprachtest zu machen und sein Visum bei der deutschen Botschaft zu beantragen, sein jüngerer Kollege fuhr zum selben Zweck nach Saudi-Arabien. An die 4000 Euro hat dieser Prozess gekostet, so Hamadeh.
„Mit großen Erwartungen“ kam er dann 2021 schließlich nach Deutschland, malte sich eine sorgenfreie Zukunft aus. „Unrealistisch war das“, weiß er heute. Die Jobsuche gestaltete sich schwieriger als gedacht: „Fünf Städte in drei Jahren“ hat Hamadeh durchkämmt, zunächst nur auf der Suche nach einer Hospitation, also der meist unbezahlten Assistenz für einen Chefarzt. Denn diese war unbedingt nötig, damit Hamadeh seine Approbation, die Zulassung zur Ausübung seines Berufs in Deutschland, bekam. „Es gibt viel zu wenig Chefärzte, die Hospitationen anbieten“, bemängelt der 29-Jährige.Doch irgendwie hat er es dennoch geschafft, war immer genau in den Städten, wo es den größten Mangel an Ärzten gab, bis er schließlich im Jesuitenschlössl in Passau eine Festanstellung gefunden hat.So weit wäre sein 27-Jähriger Kollege auch schon gern. In seinem ersten Jahr in Deutschland hat sich Qusai Alnahar vor allem auf die Sprache fokussiert, sagt er. Sogar als Verkäufer in einer Drogerie in Passau hat er gearbeitet, um aus der Praxis zu lernen. „Ich will nicht nur als Arzt in Deutschland arbeiten, sondern mich auch in die Kultur hier integrieren“, sagt er in fast perfektem Hochdeutsch.
Jetzt sucht der 27-Jährige eine Hospitationsstelle, idealerweise dann auch eine Festanstellung. Doch die Konkurrenz ist groß, noch nicht mal für umsonst kann er als Arzt arbeiten. Auch am Jesuitenschlössl, wo sein Mentor Hamadeh arbeitet, hat ihm ein erfahrenerer Arzt eine offene Stelle weggeschnappt. Und als medizinischer Fachangestellter oder als Pflegekraft wird er als Arzt nicht gern genommen. Zu groß seien die Unterschiede zwischen den jeweiligen Ausbildungen, weiß Yosof Hamadeh. Jetzt fürchtet sein junger Kollege, dass ihm ohne Job sein Aufenthaltstitel nicht verlängert wird.„Vielleicht muss ich ausreisen, bevor ich eine Chance bekomme“, sagt Alnahar resigniert. Da springt ihm sein Freund und Mentor gleich zur Seite. Ein paar lustige Anekdoten und hilfreiche Tipps zum Kontakt mit der Ausländerbehörde später kann Qusai Alnahar schon wieder lachen. „Noch bin ich da und kämpfe weiter“, sagt er entschlossen. „Jeden Tag schicke ich Bewerbungen nach ganz Deutschland raus“, bei denen ihm Yosof Hamadeh mit Rat und Tat zur Seite steht.
Ob er, wenn möglich, dauerhaft in Deutschland bleiben will, kann Qusai Alnahar aktuell noch nicht sagen. Zu kurz ist er erst hier, zu ungewiss ist seine Situation. Yosof Hamadeh hingegen möchte „mindestens die nächsten 10 Jahre“ im Land bleiben. Er fühlt sich hier gut aufgenommen, hat „zu 99 Prozent positive Erfahrungen gemacht“ und mittlerweile sogar ein paar Brocken Bairisch gelernt.
Von Verena Brandl – erschienen am 12.06.2025 in der PNP
Das Förderprogramm IQ – Integration durch Qualifizierung zielt auf die nachhaltige Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Erwachsenen mit Migrationshintergrund ab. Daran arbeiten bundesweit Regionale Integrationsnetzwerke, die von Fachstellen zu migrationsspezifischen Schwerpunktthemen unterstützt werden. Das Programm wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und die Europäische Union über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) gefördert und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge administriert. Partner in der Umsetzung sind das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Bundesagentur für Arbeit.