Ruhstorf. Damit ist der Markt im Landkreis als kommunale Initiative Vorreiter: Bürger können künftig Ökostrom beziehen, der direkt vor Ort produziert wird. In jüngster Sitzung hat der Marktgemeinderat beschlossen, einen Kooperationsvertrag mit der Bayernwerk Regio Energie GmbH zur Einführung des Stromtarifs abzuschließen und einen Tarif „Regio Energie Ruhstorf“ einzuführen. Thomas Oppelt, Geschäftsführer der Bayernwerk Regio Energie GmbH, stellte das Regio-Energie-Projekt vor.
Das Thema Nachhaltigkeit treibt den Bürgermeister um. Nicht zuletzt weil im kommunalen Zusammenschluss „Integrierte ländliche Entwicklung an Rott & Inn“ (ILE) intensiv darüber diskutiert wird. Einen regionalen Strommarkt zu gründen, wäre „eine Komponente, die uns dem Klimaziel näher bringen könnte“.
PV-Anlagen sollen auf keinen Fall abgeschaltet werden
Seit zwei Jahren werde in der ILE darüber diskutiert, was mit den Photovoltaikanlagen passiert, bei denen in nächster Zeit die staatliche Förderung mit ihrer hohen Stromabnahmevergütung ausläuft. „Auf keinen Fall dürfen Anlagen abgeschaltet werden“, lieferte der Bürgermeister eine stichhaltige Begründung dafür, warum er sich so sehr der Problematik annimmt, die doch keine kommunale Kernaufgabe ist. Aber: Kann eine Gemeinde selber eine Strombörse starten? Andreas Jakob meint: Ja, mit einem starken Partner. Grundsätzlich habe man die Möglichkeit, eine Genossenschaft zu gründen, „doch der Markt Ruhstorf kann das nicht“, leitete er zum Vortrag des Bayernwerk-Vertreters Thomas Oppelt über, der 2019 erstmals mit den Stadtwerken Abensberg einen regionalen Strommarkt initiierte. Und heuer entschied man sich in Viechtach, Bürgern regional produzierten Ökostrom anzubieten.
„Aus unserer Sicht kann die Energiewende nur regional stattfinden“, sagte Oppelt. Er zog einen Vergleich mit dem Hofladen. So wie die regionale Erzeugung von Lebensmitteln bei 37 Prozent der Menschen bedeutende Rolle spiele, so müsse auch der Strom als regionales Produkt in den Fokus rücken – transparent und bürgernah. Für den neuen regionalen Strommarkt würden sowohl vorhandene Photovoltaikanlagen auf Dächern beziehungsweise Freiflächen als auch neue Energieträger benötigt. „Wir wollen Erzeuger und Verbraucher zusammenbringen“, verdeutlichte Oppelt, dass er am liebsten gleich loslegen würde. Anhand des Beispiels Abensberg erklärte er, wie’s funktioniert. Der Bürger wisse, wer die Produzenten sind, man habe in den Stadtwerken Ansprechpartner vor Ort und der Strom sei TÜV-geprüft.
Es folgten viele, teils sehr detaillierte Fragen aus dem Gremium. Dabei hob Oppelt hervor, dass der regionale nicht teurer sei als normaler Öko-Strom. Solange vor Ort nicht genügend produziert wird, greife man auf den Strom zurück, der in bayerischen Wasserkraftwerken erzeugt wird.
Regionaler Tarif wird eingeführt
Markrätin Roswitha Nöbauer wollte wissen, wie die Abrechnung in Ruhstorf funktionieren könnte. Hier habe man keine Stadtwerke. Oppelt ließ wissen, dass die dortigen Stadtwerke grundsätzlich für die Wasserabrechnung zuständig seien, diese Mitarbeiter hätten die Zusatzaufgaben übernommen. So könnten auch in Ruhstorf Rathausmitarbeiter geschult werden. Im Prinzip würden bei der Gemeinde nur die Kosten für die Mitarbeiter anfallen, informierte Oppelt auf Anfrage von Christian Lindinger.
Klar ist: Ökostrom aus der Region kann noch nicht physikalisch, aber zumindest virtuell direkt bezogen werden. Das bekannte Thomas Oppelt auf die „generelle Verständnisfrage“ von Dr. Karl-Benedikt von Moreau. „Man packt ja nicht erzeugten Strom in einen Sack und trägt ihn zum Verbraucher“, stellte er seiner Frage voraus, wie Transparenz geschaffen wird. Schließlich drängte der Bürgermeister zur Abstimmung, „auch wenn das Thema angelegt ist, dass wir noch zwei Jahre weiterreden könnten“. Der Beschluss zur Einführung des Tarifs „Regio Energie Ruhstorf“ übers Bayernwerk fiel einstimmig. Nach einer Vorlaufzeit soll der Vertrag fünf Jahre laufen.
Von Carmen Keller
Dieser Artikel erschien am 20.10.2021 in der PNP